Fremde Länder, fremde Sitten
Fremde Länder, fremde Sitten ? so lautet eines unserer Sprichwörter aus dem Standardrepertoire. Meist wird es kopfschüttelnd gesagt, weil uns diese fremden Sitten vollkommen rückständig oder eigenartig vorkommen. Dabei meint der Spruch lediglich: Menschen sind sehr verschieden. Ihre Bedürfnisse hingegen sind es meist nicht.
Jüngst ging durch die Presse, dass in Kenia immer mehr Frauen kleine Steine essen. In der Völkerkunde kennt man bereits das Essen von Erde, Geophagie genannt. Anfangs hielt man es für einen seltsamen Ritus, bis die Ernährungsethnologie darauf kam, dass es vielleicht nicht irgendeine Erde ist, die gegessen wird, sondern besonders mineralhaltige. Wenn nun die Damen in Kenia freiwillig Steine essen, kann man getrost davon ausgehen, dass sie dies nicht aus Jux und Dollerei tun. Interessant ist nämlich, dass sie es vor allem während der Schwangerschaft tun! Zu dieser Zeit ist der Bedarf an Nährstoffen im Höchsten. Wenn man nicht an Regale voller Mineraltabletten herankommt, sind Steine eben das nächst Beste. Das geht soweit, dass inzwischen kenianische Supermärkte zwischen den Gewürzen und Suppenwürfeln auch kleine Packungen mineralhaltiger Steine anbieten. Nicht irgendwelche Steine, sondern besonders eisenhaltige, wie die Packungsaufschrift vermerkt. Man zerreibt die Steine und isst dann die Brösel.
Doch nun kommen die Ärzte ins Spiel ? und die brauchen Krankheiten! So erklären sie nun das Steine-Essen zu einer Krankheit namens Pica. Tatsächlich sei es nicht ganz ungefährlich, Minerale in dieser Form aufzunehmen, sagt ein Ernährungswissenschaftler aus Kenia. Denn Steinmehle sind unverdaulich und verstopfen unter Umständen Organe. Wenn man die daraus resultierenden Bauchschmerzen als Krankheit betrachtet statt endlich brauchbare Mineraltabletten ins Regal zu stellen, ist die Welt wirklich im Argen!